Jeannette Behringer
Noch heute lagert eine Tafel Milchschokolade meiner Grossmutter in meinem Kühlschrank. Sie ist nicht mehr zum Verzehr gedacht. Vermutlich wäre sie nicht verdorben, aber auch nicht mehr unbedingt ein Genuss. Ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie endlich zu entsorgen oder sie doch noch für eine Süssspeise oder für etwas anderes zu verwenden. Denn auf einem schmalen weissen Streifen, gezackt an einer Seite, steht in der Sütterlinschrift meiner Grossmutter mein Name. Die Tafel Schokolade, sie war ein Geschenk, zu Ostern, zu meinem Geburtstag, zu Weihnachten. Ich weiss es nicht mehr. Der Grund für die seltsame Lagerung ist ein anderer: Die Erinnerung an meine Grossmutter ist sehr lebendig, wenn ich ihre Schrift sehe. Vor allem aber dann, wenn ich diese auf dem schmalen weissen Streifen betrachte: Denn es ist die ausgestanzte Umrandung einer Briefmarke, die sie stets aufbewahrte, um sie für weiteres zu verwenden, was immer es auch war. Wir Enkelinnen und Urenkel wurden auf jeden Fall stets mit Briefmarkenumrandungennamensschildern beglückt. Was ich als Kind und Jugendliche einfach nur komisch und schräg fand, änderte sich für mich als Erwachsene, je länger ich mich mit Umwelt und Nachhaltigkeitsfragen befasste.
Ende der Nebenschauplätze
Die Lebensweise meiner Grossmutter symbolisiert für mich nicht nur die Vergangenheit, sondern eine lebenssichernde Zukunft, für deren Gestaltung nicht mehr viel Zeit bleibt. Die Fähigkeit, in allem nicht Abfall, sondern schon den Roh stoff für das Neue zu sehen.
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